Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Darmstädterinnen und Darmstädter,
Liebe Israel-Freundinnen und -Freunde,
wir haben uns hier heute am Darmstädter Friedensplatz versammelt, um vor allem eins zu zeigen: EMPATHIE und SOLIDARITÄT
mit den Jüdinnnen und Juden unserer Stadt,
in Darmstadt, in Deutschland, in Europa, in der ganzen Welt,
und mit den Menschen in Israel, insbesondere unserer Darmstädter Partnerstadt Naharya.
EMPATHIE UND SOLIDARITÄT sind auch dringend nötig – denn sie haben nach dem 7. Oktober 2023, nach dem größten Pogrom und Massaker nach der Shoah,
nach dem Terrorangriff der Hamas bitterlich gefehlt – und sie fehlen bis heute.
Statt dessen erleben wir einen Sturm, der durch ganz Deutschland, durch Europa tobt. Und damit ist nicht das garstige Wetter momentan gemeint,
sondern ist ein Sturm des Antisemitismus, inzwischen zu einem Tsunami des Judenhasses geworden ist…
Eine Monsterwelle des Antisemitismus, die durch unsere Städte, durch die Lande rast, als seien auf einmal alle Dämme gebrochen. Als hätte es die
Erinnerungskultur des NIE WIEDER nie gegeben….
Wir alle stehen unter dem Eindruck des Terrorangriffs auf die Synagoge von Manchester: Unser Gedanken sind bei den Todesopfern und Verletzten, bei
den Familien und Angehörigen.
In Berlin feiern Todesdrohungen, Hass und Hetze fröhliche Urständ, die Intifada auf Berlins Straßen bricht sich bahn, die engagierte Kämpferin gegen
Antisemitismus und FDP-Politikerin Karoline Preissler wird dieser Tage von einem Ordner dieses Pro-Hamas- und Anti-Israel-Demos verletzt…
Der international angesehene, israelische Dirigent Lahav Shani wurde mitsamt den Münchner Philharmonikern kurzfristig von den Flanders Fields in
Gent ausgeladen, weil er Jude, noch dazu Israeli ist…
Herta Müller sieht den Beginn eines neuen Antisemitismus, sie sagt:
"Judenhass ist eine Mentalität, die durch Sozialisation und familiäre Weitergabe enorm gefestigt ist und schwer zu durchbrechen. Es gibt in diesem Land den
alten Antisemitismus auch bei jungen Leuten und es gibt den eingewanderten Antisemitismus. In normalen Zeiten blieb er privat. Aber es wissen alle, dass auch vor dem 7. Oktober keine Synagoge,
keine jüdische Schule, überhaupt keine jüdische Institution ohne Polizeischutz sicher war. Das hielt man für normal. (...)
Ich habe immer schon genau hingehört, wenn es um Israel ging. Antisemitismus kann auch intellektuell geschminkt sein. Er kommt auf Umwegen und schimmert
sofort durch. Sogar im Nichtgesagten.“
Die französisch-israelische Soziologin Eva Illouz hat einen Essay über den 8. Oktober 2023 geschrieben – nicht über den 7., den Tag des Hamas-Massakers auf israelischem Staatsgebiet, sondern über jenen Folgetag, der eine weitere Erschütterung für alle Juden bereithielt: "das ausbleibende Mitgefühl gegenüber den Opfern, das pikierte Schweigen, ja sogar das Triumphgeheul über die Kommandoaktion der Terroristen in großen Teilen der Welt, insbesondere unter Intellektuellen, in der Kultur und in den Universitäten…."
NIE WAR DER SATZ: ZUKUNFT BRAUCHT ERINNERUNG – das Motto unseres Fördervereins Liberale Synagoge – so aktuell wie heute:
NIE WAR Engagement gegen Judenhass so NÖTIG wie heute:
Es ist in wenigen Monaten, im Februar nächsten Jahres, 2026, genau 150 Jahre her, dass die große Liberale Synagoge Friedrichstr. Ihre Einweihung
erlebte.
Jene größte Darmstädter Synagoge von allen, die nach nur 62 Jahren ihrer Existenz im Novemberpogrom von 1938 restlos zerstört, verwüstet, in Brand gesteckt und
gesprengt wurde….-
1938 war der Fanal für die Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung der deutschen, später der europäischen Jüdinnen und Juden…
Aber wir lernen nichts aus der Geschichte für Gegenwart und Zukunft, wenn wir nicht verstehen: Der Hass, die Hetze, der Antisemitismus, der Judenhass begannen viel
früher… nicht 1933 und auch nicht 1935, als die Nazis vor genau 90 Jahren, im September 1935, ihre berüchtigten Nürnberger Rassenwahngesetze verkündeten….
Nein, der Beginn der damaligen Antisemitismus-Welle – auch und gerade hier in Darmstadt – lag viel früher, im deutschen Kaiserreich…
Und setzte sich dort, in schlimmster Weise, in der Weimarer Republik, also lange bevor die Nazis an die Macht kamen.
1912 wurde hier in Darmstadt in der Rheinstr. ein jüdischer TH-Student aus Osteuropa hinterrücks erstochen.
Es gab in Darmstadt schon im Kaiserreich eine Antisemiten-Partei, die für den Reichstag kandidierte und 20 % der Wählerstimmen einheimste – lange vor der
NSDAP.
Der deutschlandweit renommierte Kultur- und Technik-Philosoph Dr. Julius Goldstein wurde hier in Darmstadt im Landtag und in der Öffentlichkeit gemobbt und
diffamiert, nur, weil er Deutscher jüdischen Glaubens war.
Schon am Ende der Weimarer Demokratie bekam die NSDAP Hier in Darmstadt 50 % der Wählerstimmen, Darmstadt war eine braune Hochburg, bevor die Nazis in Hessen
die Macht ergriffen.
Was uns das heute sagen soll?
Dass aus Worten, aus Hass, Hetze und Antisemitismus-Ideologie, irgendwann TATEN werden, dass aus dem Schneeball irgendwann eine Lawine wird, die niemand mehr
stoppt.
Vor diesem Hintergrund ist es geradezu geschichtsvergessen und unerträglich, eine Schande, wenn auch hier in Darmstadt eine neue Allianz der Judenhasser und
Antisemiten ihr Unwesen treibt.
Der Antisemitismus hatte schon immer, hat heute wieder viele Gesichter:
Erst vor wenigen Wochen demonstrierten etwa 40 Islamisten mit üblen Anti-Israel-Vernichtungsphantasien ausgerechnet hier auf dem Luisenplatz. Jenem Platz, der in der
NS-Zeit verniedlichen Adolf-Hitler-Platz hieß.
Erst vor wenigen Wochen beschmierten und verunstalteten unbekannte Täter nun schon zum zweiten Mal der Gedenkstein der Orthodoxen Synagoge Bleichstr.
Mit Hakenkreuzen und Israel-Vernichtungsphantasien.
Ja, wussten diese Täter etwa nicht, dass dieser Gedenkstein, der an die Shoah-Opfer unserer Stadt erinnert, aus Steinen des Todes- und Vernichtungslagers Flossenbürg
errichtet wurde?
Es ist skandalös und geschichtsvergessen, dass unsere Universitäten – wie schon in den 1920er und 1930er Jahren – teilweise zu Brutstätten des Antisemitismus
verkommen…
Meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,
es ist ein Unding, wenn ausgerechnet zum 2. Jahrestag des Hamas-Massakers in Frankfurt und anderswo Kundgebungen zugunsten der Hamas stattfinden, die die Massaker
des 7. Oktobers 2023 entweder leugnen oder als angeblich „palästinensischen Widerstand“ feiern und verherrlichen….
Dann sind alle Maßstäbe verrutscht!
Es darf keine Terror- und Gewaltverherrlichung geben, in DA nicht, in Deutschland nicht, in Europa nicht, nirgendwo auf der Welt.
Die Hamas ist und bleibt eine Terrororganisation: Der 7. Oktober 2023 ist und bleibt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ein barbarisches Pogrom und ein
barbarischer Massenmord an über 1.200 Menschen jüdischen Glaubens, an Männern, Frauen, Kindern.
Nicht Israel ist Ursache dessen, was nach dem 7. Oktober 2023, sondern allein die Hamas. Wir wehren uns in aller Form gegen die Verdrehung der Tatsachen, gegen diese
Täter-Opfer-Umkehr.
Wir dürfen gespannt sein, ob sich die Hamas und ihre Hintermänner auf den Friedensplan US-Präsident Trumps einlassen…
Erst wenn die Hamas alle Waffen niederlegt und alle Macht in Gaza abgegeben hat, und wenn sie aufhört, Israel, die einzige Demokratie des Nahen Ostens, in seiner
Existenz bedrohen, wird Frieden sein.
Lassen Sie mich hier den Dichter Friedrich Dürrenmatt zitieren:
„In wessen Namen Israel denn auch verurteilt wird, im Namen des neutralen Blocks, im Namen der Progressiven, im Namen der Frau, im Namen der UNESCO,
vielleicht auch bald im Namen der UNO oder gar im Namen der Freiheit und Gerechtigkeit, es sind missbrauchte Namen, hingeschmiert unehrlichen Richtern unter gefälschte
Dokumente“.
Und Dürrenmatt betont, dass er nicht zu all dem schweigen werde und schrieb:
„Ich stelle mich (…) hinter Israel, seinet- und allerwegen, damit wir nicht bald alle schweigen.“
Schon in den 1970er Jahren kritisierte Dürrenmatt scharf die Unart, Israel als „Faschisten“ darzustellen und die Palästinenser-Terroristen als „Helden“ und
„Freiheitskämpfer“ zu verklären.
„Kein Mensch ist heute mehr Antisemit“, bemerkte Dürrenmatt 1976 voller Sarkasmus, „man versteht nur die Araber“.
Jean-Paul Sartre hat es schon 1945, vor 80 Jahren, gesehen:
„Die Situation des Juden ist so, dass sich alles, was er tut, gegen ihn wendet.“
ZUKUNFT BRAUCHT ERINNERUNG:
Wir erleben heute eine Welle des Antisemitismus – einen Tsunami des Judenhasses… neue Allianzen der Juden- und Israel-Hasserinnen und -Hasser, eine neue Querfront
von ganz links bis ganz rechts, in der muslimischen Community und in der bürgerlichen Mitte….
Wir alle müssen uns, mit aller Kraft, gegen diese Welle des Judenhasses stemmen…
Judenhass ist Menschenhass….Wer nicht begreift, dass Antisemitismus uns ALLE Betrifft, ein Angriff auf unsere ganze liberale Demokratie darstellt, hat nichts
begriffen.
Gerade hier in Darmstadt müssen wir den Antisemitismus in all seinen Spielarten bekämpfen. Und in dieser Zeit, gerade JETZT, ohne WENN und ABER; an der Seite der
Jüdinnen und Juden, an der Seite Israels und seiner Menschen stehen….
Die Devise muss lauten:
Spätestens der Terrorangriff auf die Synagoge von Manchester muss uns alle wachrütteln, denn: Manchester ist überall: Es darf nicht sein, dass ausgerechnet am 7.
Oktober, am Jahrestag der Hamas-Massaker, antisemitische Demonstrationen durchs Land gehen!
Seien wir empathisch und solidarisch – und wehrhaft gegen Antisemitismus in jedweder Form!
Nie wieder Judenhass – Solidarität mit Israel – Keine Toleranz für Antisemitismus, egal welcher Spielart, egal in welchem Gewand.
UND: FREE GAZA FROM HAMAS!
Vielen Dank!