Darmstadt, 15. Februar 2023.
Seit 1995 rekonstruiert das Fachgebiet Digitales Gestalten der Technischen Universität virtuell Synagogen, die in der NS-Zeit zerstört wurden. Das Projekt soll nun mit einem vertiefenden Blick in die Rhein-Main-Region fortgesetzt werden. Gotteshäuser in Darmstadt, Mainz und Frankfurt sollen digital wieder erstehen. Ziel ist, den kulturellen Verlust, die Schönheit der einst in Deutschland vorhandenen Synagogen-Architektur vor Augen zu führen. So leistet das Projekt einen Beitrag zum Gedenken an die Shoah.
Im Rhein-Main-Gebiet existierten 1933 über 260 Synagogen. Die Region war damit ein Zentrum jüdischen Lebens in Deutschland und Frankfurt stellte mit über 30.000 Mitgliedern nach Berlin die zweitgrößte jüdische Gemeinde zu dieser Zeit.
In dem auf mehrere Jahre angelegten Vorhaben des Fachgebiets Digitales Gestalten bilden die Synagogen der drei Universitätsstädte Darmstadt, Frankfurt und Mainz einen ersten Schwerpunkt. Weitere Synagogen sollen gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt folgen.
Außerdem soll das Projekt das interdisziplinäre Lernen fördern. In einer geplanten Zusammenarbeit im Verbund der Rhein-Main-Universitäten (RMU) Darmstadt, Frankfurt und Mainz sollen Studierende des Fachbereichs Architektur der TU Darmstadt, die die Rekonstruktionen erstellen, mit Studierenden verschiedener anderer Fachrichtungen der beiden anderen Universitäten zusammenarbeiten.
Gefördert wird das Projekt in Frankfurt durch die STIFTUNG GIERSCH, auch die Stadt strebt eine Beteiligung an. In Mainz und Darmstadt unterstützen die jeweiligen Oberbürgermeister das Vorhaben, und für Darmstadt beteiligen sich neben der Sparkasse Darmstadt auch die ENTEGA Stiftung, die Jakob Wilhelm Mengler-Stiftung und die Dotter-Stiftung. Nicht zuletzt fördert die TU Darmstadt selbst das Projekt zu einem Drittel. (...)
Die geplanten Rekonstruktionen und die Aktualisierung bestehender Visualisierungen umfassen zunächst 13 Synagogen. Für Frankfurt sind das neben den drei großen innerstädtischen Synagogen die Gotteshäuser in den Stadtteilen Bockenheim, Höchst, Rödelheim sowie die Synagoge im Israelitischen Krankenhaus in der Rechneigrabenstraße. Bei der äußerlich nicht zerstörten Westend-Synagoge in der Freiherr-vom-Stein-Straße soll der ursprüngliche Zustand des Inneren rekonstruiert werden. Das Teilprojekt der Darmstädter Synagogen thematisiert die beiden großen Synagogen in der Bleichstraße und in der Friedrichstraße sowie die ebenfalls zerstörte Synagoge im Ortsteil Eberstadt. In Mainz sollen die Synagogen in der Hindenburgstraße und in der Magarethengasse/Flachsmarktstraße rekonstruiert werden.
Das Projekt spricht eine breite Öffentlichkeit an. Bereits in der Vergangenheit erlangten die Rekonstruktionen der TU Darmstadt großes nationales und internationales Ansehen. Gleichzeitig bietet das Projekt Studierenden die Möglichkeit, digitale Kompetenzen in gesellschaftlich relevanten Themenfeldern zu erlernen. Das Projekt versteht sich auch als Beitrag gegen Antisemitismus. Es soll jüdisches Leben sichtbar machen und wird diese Themen in die universitäre Lehre einbinden und jungen Menschen eine Chance eröffnen, aktiv in der Erinnerungskultur mit den digitalen Werkzeugen des 21. Jahrhunderts mitzuarbeiten.
Dr.-Ing. Marc Grellert, Leiter des Forschungsbereichs Virtuelle Rekonstruktion am Fachgebiet Digitales Gestalten und Initiator des Projekts, erläutert: „Mit dem Projekt sind die Absicht und die Hoffnung verbunden, gerade junge Menschen anzusprechen und die kulturelle Blüte jüdischer Gemeinden zu veranschaulichen. Die Rekonstruktionen führen unweigerlich zu der Frage, warum es diese Bauwerke und ihre Gemeinden nicht mehr gibt. Die digitalen Bilder und Virtual-Reality-Anwendungen stellen einen zeitgemäßen Zugang zur politischen Erinnerungsarbeit dar und sollen auch einen Beitrag leisten, Barrieren des Kennenlernens jüdischer Kultur abzubauen – der meist unbekannte Raum einer Synagoge kann so erkundet werden.“
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Erste Ergebnisse des Projekts liegen bereits vor. Am 16. Februar 2023 wird vom Darmstädter Oberbürgermeister Jochen Partsch die Installation „Fernrohr in die Vergangenheit“ eröffnet. Sie erinnert mit einem 3D-Bild an die zerstörte (kleine Orthodoxe) Synagoge in der Bleichstraße. Die gezeigte Rekonstruktion, die von der ENTEGA Stiftung gefördert wurde, ist eine Überarbeitung einer früheren Fassung und macht deutlich, was mit aktueller Software möglich ist. Äußerlich ähnelt die Installation einem Fernrohr. Beim Durchschauen sieht man, wie es aussehen würde, wenn die Synagoge noch stünde. Die Installation, die auch an anderen Orten bereits verwirklicht wurde, entstand in Darmstadt im Rahmen des Projektes „Schüler gegen Vergessen für Demokratie – Stelenprojekt und App Digitale Spurensuche. Footprints4Freedom“ der Darmstädter Lichtenbergschule.
Am 9. November 1938 legten Nationalsozialisten Feuer in der Synagoge. Auch die Synagogen in der Friedrichstraße und in Darmstadt-Eberstadt wurden zerstört. Überall im Deutschen Reich brannten im November 1938 die Synagogen – in mehr als 1.000 Orten organisierten die Nazis die Zerstörung jüdischer Gebetshäuser. Das Darmstädter Synagogen-Projekt setzt seit fast 30 Jahren hierzu ein Zeichen der Erinnerung.
Digital technology against forgetting
Thanks to sponsorship: Project for the reconstruction of synagogues in the Rhine-Main region starts at the TU
2023/02/15
Darmstadt, 15 February 2023.
Since 1995, the Department of Digital Design at the Technical University has been virtually reconstructing synagogues that were destroyed during the Nazi era. The project is now to be continued with an in-depth look at the Rhine-Main region. Places of worship in Darmstadt, Mainz and Frankfurt are to be digitally restored. The aim is to show the cultural loss, the beauty of the synagogue architecture that once existed in Germany. In this way, the project contributes to the commemoration of the Shoah.
In 1933, more than 260 synagogues existed in the Rhine-Main region. The region was thus a centre of Jewish life in Germany and Frankfurt, with over 30,000 members, was the second largest Jewish community after Berlin at that time.
The synagogues in the three university towns of Darmstadt, Frankfurt and Mainz are the first focus of the Digital Design department's project, which is scheduled to run for several years. Other synagogues may follow at a later date.
The project also aims to promote interdisciplinary learning. In a planned collaboration between the Rhine-Main Universities (RMU) of Darmstadt, Frankfurt and Mainz, students from the Department of Architecture at the TU Darmstadt who are creating the reconstructions will work together with students from various other disciplines at the other two universities.
The project in Frankfurt is being funded by the STIFTUNG GIERSCH, and the city is also seeking to participate. In Mainz and Darmstadt, the respective mayors support the project, and for Darmstadt, in addition to the Sparkasse Darmstadt, the ENTEGA Foundation, the Jakob Wilhelm Mengler Foundation and the Dotter Foundation are also participating. Last but not least, the TU Darmstadt itself is funding the project to the tune of one third. (...)
The planned reconstructions and the updating of existing visualisations initially include 13 synagogues. For Frankfurt, in addition to the three large inner-city synagogues, these are the places of worship in the districts of Bockenheim, Höchst, Rödelheim and the synagogue in the Israelite Hospital in Rechneigrabenstraße. In the case of the Westend synagogue in Freiherr-vom-Stein-Straße, which was not destroyed externally, the original condition of the interior is to be reconstructed. The Darmstadt synagogues sub-project focuses on the two large synagogues in Bleichstraße and Friedrichstraße as well as the synagogue in the Eberstadt district, which was also destroyed. In Mainz, the synagogues in Hindenburgstraße and Magarethengasse/Flachsmarktstraße are to be reconstructed.
The project appeals to a broad public. In the past, the reconstructions of the TU Darmstadt have already achieved great national and international renown. At the same time, the project offers students the opportunity to learn digital skills in socially relevant subject areas. The project also sees itself as a contribution against anti-Semitism. It aims to make Jewish life visible and will integrate these topics into university teaching and give young people a chance to actively participate in the culture of remembrance with the digital tools of the 21st century.
Dr.-Ing. Marc Grellert, Head of the Virtual Reconstruction Research Unit at the Department of Digital Design and initiator of the project, explains: “The intention and hope of the project is to appeal to young people in particular and to illustrate the cultural flourishing of Jewish communities. The reconstructions inevitably lead to the question of why these buildings and their communities no longer exist. The digital images and virtual reality applications represent a contemporary approach to political remembrance work and should also contribute to breaking down barriers to learning about Jewish culture – the usually unknown space of a synagogue can be explored in this way.”
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The first results of the project are already available. On 16th of February 2023, Darmstadt's Lord Mayor Jochen Partsch will open the installation “Telescope into the Past”. It commemorates the destroyed synagogue in Bleichstraße with a 3D image. The reconstruction shown, which was sponsored by the ENTEGA Foundation, is a revision of an earlier version and shows what is possible with current software. Externally, the installation resembles a telescope. Looking through it, you can see what it would look like if the synagogue were still standing. The installation, which has already been realised in other places, was created in Darmstadt as part of the project “Pupils against Forgetting for Democracy – Steles Project and App Digital Tracing. Footprints4Freedom” project of the Lichtenberg School in Darmstadt.
On 9 November 1938, National Socialists set fire to the synagogue. The synagogues in Friedrichstraße and Darmstadt-Eberstadt were also destroyed. Synagogues burned all over the German Reich in November 1938 – in more than 1,000 places the Nazis organised the destruction of Jewish houses of worship. The Darmstadt Synagogue Project has been setting a sign of remembrance in this regard for almost 30 years.