"Aus Erinnern kommt Haltung" Hermann Rudolph (in "DIE ZEIT" 2010).
"Die moralische Pflicht, die auf uns liegt, erfüllt sich nicht nur im
Erinnern. In uns existiert auch eine tiefe und unauslöschliche
Gewissheit: Aus diesem Erinnern ergibt sich ein Auftrag.
Er sagt uns: Schützt und bewahrt die Mitmenschlichkeit. Schützt und bewahrt die Rechte eines jeden Menschen." Bundespräsident Joachim Gauck zum Holocaust-Gedenktag Januar 2015
Die vier Rabbiner der Liberalen Synagoge Darmstadt Friedrichstraße / Fuchsstraße (1876 - 1938)
Erster Rabbiner der Liberalen Synagoge, Lichtgestalt des Darmstädter Reform-Judentums zu Großherzogs Zeiten: Rabbi Dr. Julius Landsberger (1819 - 1890) prägte eine nahezu 30jährige Ära und gilt nicht umsonst als "Lichtgestalt des Darmstädter Reform-Judentums" (so Martin Frenzel bei der Einweihung des Julius-Landsberger-Platzes auf dem Klinikumsgelände am 9. November 2011). Von 1859 bis 1889 firmierte Landsberger als Großherzoglicher Landesrabbiner von Starkenburg und Hessen-Darmstadt. Er galt als eindrucksvoller, ungemein belesener und wortgewaltiger Thora-Gelehrter, Prediger und glänzender Redner. In seine Zeit fällt die Abspaltung der Orthodoxen Jüdischen Gemeinde; Landsberger war von da an der führende Kopf der Liberalen Reformgemeinde Darmstadt und nahm am 23. Februar des Jahres 1876 die feierliche Einweihung der neuen Liberalen Synagoge Friedrichstr./Fuchsstr. vor. Ursprünglich stammte Landsberger aus Oberschlesien, dem Ort Zülz. Als er in Berlin starb, wurden seine sterblichen Überreste posthum nach Darmstadt, seine Hauptwirkungsstätte, verbracht, wo er auf dem Jüdischen Friedhof in Darmstadt-Bessungen ein Großherzogliches Ehrengrab erhielt. Landsberger galt zu Lebzeiten auch als bedeutender Orientalist - und wird in Forscherkreisen noch heute als Koryphäe auf diesem Gebiet geschätzt. Er übersetzte Fabeln und Schriften aus dem Arabischen und Aramäischen, war geschätztes Mitglied der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Als 1870/71 französische Kriegsgefangene auf dem Griesheimer Sand gefangen gehalten wurden, die - weil aus den Magreb-Staaten und dem Senegal stammend - muslimischen Glaubens in Darmstadt waren, hielt Landsberger ihnen wunschgemäß Gottesdienst in arabischer Sprache und las ihnen aus dem Koran vor. Der FÖRDERVEREIN LIBERALE SYNAGOGE ehrte den vergessenen Rabbiner und bedeutenden Thora-Gelehrten Rabbi Dr. Julius Landsberger am 9. November 2011 mit der Einweihung des durch den Verein initiierten Julius-Landsberger-Platzes - in unmittelbarer Nähe desr Gedenkstätte Liberale Synagoge auf dem Klinikumsgelände. Die Platz-Einweihung fand seinerzeit ein bundesweites, vielbeachtetes Medien-Echo. Selbst im fernen Hamburger Abendblatt wurde darüber berichtet. Ebenfalls auf die Initiative und eine breit angelegte Spendenkampagne des Fördervereins Liberale Synagoge gehen die beiden am 9. November 2013 enthüllten Gedenktafeln zu Ehren Rabbi Landsbergers auf dem Julius-Landsberger-Platz zurück: Ein Relief mit der zersplitterten Büste Landsbergers des vom Förderverein Liberale Synagoge beauftragten Bildhauers Gerhard Roese, sowie eine Gedenktafel unter dem Motto "Zukunft braucht Erinnerung" mit der Vita und dem Wirken Julius Landsbergers. Beide Tafeln hängen an der Seitenwand der Klinikumsapotheke, direkt am Julius-Landsberger-Platz.
DER VÖLLIG VERGESSENE LIBERALE RABBINER DES KAISERREICHS: Rabbi David Selver 1857-1926 (amtierte in der Liberalen Jüdischen Gemeinde von 1890 (nach Landsbergers Ära, dessen Stellvertreter er gewesen war) bis 1907; er steht - ähnlich wie der Thora-Gelehrte Rabbi Bienheim - im Schatten der beiden charismatischen Rabbiner-Persönlickeiten Julius Landsberger und Bruno Italiener. Dazu mag der heftige Streit innerhalb der Jüdischen Reformgemeinde Darmstadt seinerzeit um Selvers Person beigetragen haben, die zu seiner Kündigung führte. David Selver gelang es jedoch, diese erfolgreich anzufechten: Die Auseinandersetzung endete wie das Hornberger Schießen. Rabbiner Selver war mit deutsch-jüdischen Persönlichkeiten wie dem Dichter Karl Wolfskehl und dem in Darmstadt geborenen Heidelberger Literatur-Papst Friedrich Gundolf eng befreundet. Auch war er es, der zum Tode des ersten Gemeindevorstehers der Liberalen Gemeinde Darmstadts, Motors beim Bau der Liberalen Synagoge und Erbauers des heutigen Johannesviertels, Heinrich Blumenthal 1901 die feierliche Grabrede hielt.
Bedeutender Rabbiner der Kaiserreichszeit und Kämpfer gegen das Gift des Antisemitismus' in der Weimarer Republik: Rabbi Dr. Bruno Italiener (1881-1956), zugleich mutiger und vehementer Kämpfer gegen den Antisemitismus. Er gehört - neben dem Gründungs-Rabbiner Dr. Julius Landsberger - zu den beiden herausragenden, redegewandten Thora-Gelehrten mit großer Ausstrahlung. Italiener stammte eigentlich aus Burgdorf bei Hannover. Er übernahm die Liberale Gemeinde Darmstadt 1907 zu Kaisers und Großherzogs Zeiten von seinem glücklosen Vorgänger Rabbi David Selver. Der Erste Weltkrieg brachte eine tiefe Zäsur: Von 1914 bis Kriegsende 1918 war Bruno Italiener - wie so viele deutsch-jüdische Patrioten - Feldrabbbiner im deutschen Heer, erlebte den Wahnsinn des Schützengrabenkriegs, die Urkatastrophe des 20.Jahrhunderts an der Westfront in Frankreich hautnah mit. Nach seiner Rückkehr prägte Italiener von 1918 bis zum Ende seiner Darmstädter Amtszeit eine Ära in der Weimarer Demokratie. Seine zahlreichen Publikationen, allen voran seine Streitschrift "Waffen im Abwehrkampf" von 1920, wandten sich vehement gegen die wachsende Judenfeindschaft in der deutschen Gesellschaft. Auch kulturell erwarb sich Rabbi Bruno Italiener hohe Verdienste: War es doch, der eine Faksimile-Edition der kostbaren Darmstädter Pessach Haggadah veröffentlichte; auch schrieb er eine Monografie über den kulturellen Schatz der Haggadot (1927). Am 1.Dezember 1927 verließ er Darmstadt, folgte dem Ruf der großen Hamburger Tempelbewegung, der dortigen Liberalen Jüdischen Gemeinde im hohen Norden. Italiener war bis zu den Novemberpogromen 1938, die auch und gerade in Hamburg wüteten, der letzte Rabbiner der großen Gemeinde der Tempel-Bewegung. 1939 floh er notgedrungen - gewaltsam mit seiner Familie aus seiner deutschen Heimat von den Nazis vertrieben - via Brüssel ins erzwungene Londoner Exil. Dort war er als Rabbbiner von 1939 bis 1941 im East End an der St. George's Settlement Synagogue tätig. Von 1941 bis 1951 schloß sich seine Zeit als Assistant Minister an der West London Synagogue of British Jews an. In der jungen westdeutschen Nachkriegsdemokratie fungierte Italiener auch als Gast-Rabbiner in West-Berlin. Er galt als Weggefährte des führenden Kopfs des weltweiten progressiven Reform-Judentums, Leo Baeck. Italiener starb tragisch 1956 in seinem Londoner Exil infolge eines Unfalls. Bis heute erinnert nichts ans Wirken dieses bedeutenden Darmstädter Rabbiners, der eine 20 Jahre währende Ära als Thora-Gelehrter prägte. Der FÖRDERVEREIN LIBERALE SYNAGOGE hat 2017 die Kampagne Darmstadt braucht einen Bruno Italiener-Gedenktafel und -Straße" gestartet.
Der letzte Rabbiner der Liberalen Synagoge vor dem Holocaust und der Judenverfolgung in Darmstadt: Dr. Erich Bienheim amtierte von 1928 als Nachfolger Bruno Italieners, der ihm große Fußstapfen hinterließ. Bienheim hatte dieses Amt bis zum Beginn des deutschen Angriffskriegs 1939 inne - er floh, gewaltsam aus seiner Heimat vertrieben, im gleichen Jahr (1939) zuerst nach Australien, sodann aber weiter ins englische Exil. Bienheim wurde am 16. November 1898 in Duingen geboren. Am 28. Januar 1962 segnete er im britischen Bradford das Zeitliche. Bienheim hatte in Bradford eine Liberale Reformgemeinde mit aufgebaut und geleitet. Die Tochter des Kantors der Liberalen Gemeinde, Helga Keller, selbst eine Holocaust-Überlebende, erwähnt Bienheim ausdrücklich in ihren humorvollen Memoiren... Der Förderverein Liberale Synagoge erinnerte an diesen vergessenen Rabbiner 2012 mit einer gelungenen Veranstaltung, bei der der deutsch-englische Liberalen Landes-Rabbiner von Berlin und Schleswig-Holstein, Dr. Walter Rothschild, der ebenfalls aus Bienheims Exil-Stätte Bradford stammt, über Erich Bienheim sprach.
2012 auf Einladung des Fördervereins Liberale Synagoge zu Gast in Darmstadt: Der Bienheim-Biograf Rabbi Walter Rothschild. Foto rechts: Archiv Martin Frenzel.
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Zukunft braucht Erinnerung
Förderverein Liberale Synagoge startet FLS-Kampagne: DARMSTADT braucht eine
Rabbi Bruno Italiener-Gedenktafel Februar 2025! ZUKUNFT BRAUCHT ERINNERUNG!
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Der Karl Heß-Platz: eingeweiht seit dem 15. Januar 2017
10 Jahre Förderverein Liberale Synagoge
25.01.2011-25.01.2021
FLS-Online-Vortrag: Vergessene Darmstädter Jüdinnen: Von Herta Mansbacher über Elsbeth Juda, geb. Goldstein bis Helga Keller
Referent: Martin Frenzel, Historiker, Buchautor ("Eine Zierde unserer Stadt. Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Liberalen Synagoge Darmstadt") Zoom-Link wird nach Anmeldung verschickt erforderlich: martin.frenzel@liberale-synagoge-darmstadt.de
Referent:Martin Frenzel (Historiker, Buchautor "Eine Zierde unserer Stadt") Voranmeldung aber erforderlich:
martin.frenzel@liberale-synagoge-darmstadt.de / Link wird hernach
verschickt
FLS-Rundgang Spezial Nov. 2024 I: Jüdisches Darmstadt - Auf den Spuren der Liberalen Synagoge
Sonderführung aus Anlass des 86. Jahrestags der Darmstädter Novemberpogrome 1938): Auf den Spuren der Liberale Synagoge, Darmstädter Jüdischer Frauen und des Darmstädter Novemberpogroms von 1938.
Jüdische Darmstädter Frauen: Von Helga Keller, geb. May über Jenny Seidels-Stamm bis Hanna Skop, geb. Posner
November-Termin: Freitag, 8. November 2024, 14.30 Uhr, Teilnahme kostenlos, Spende erbeten, Voranmeldung notwendig: martin.frenzel@liberale-synagoge-darmstadt.de, Treffpunkt: Lortzsche Menora vor der Treppe zur Empore der Gedenkstätte, Klinikumsgelände, Zugang Bleichstr Höhe Gagernstr. oder via Julius-Landsberger-Platz
FLS-Rundgang II: Jüdisches Darmstadt - Auf den Spuren der Liberale Synagoge, des Philosophen Julius Goldstein, Alfred Bodenheimers, Benno Josephs, Hugo Benders und des Darmstädter Novemberpogroms von 1938
Termin: Sonntag, 10. November (10.11.) 2024, 14.30 Uhr, Teilnahme kostenlos, Spende erbeten, Voranmeldung notwendig: martin.frenzel@liberale-synagoge-darmstadt.de, Treffpunkt: Lortzsche Menora vor der Treppe zur Empore der Gedenkstätte, Klinikumsgelände, Zugang Bleichstr Höhe Gagernstr. oder via Julius-Landsberger-Platz
ZUKUNFT BRAUCHT ERINNERUNG: 12. Darmstädter Aktionswochen gegen Antisemitismus 2024: Gegen jeden Antisemitismus! Stoppt den Terror der Hamas, der Hisbollah und ihrer Helfershelfer!
22. Oktober 2024 bis 22. Februar 2025
November 2024
Jüdisches Darmstadt-Rundgang: Auf den Spuren der Liberale Synagoge, des spät geehrten Lilien-Vorsitzenden Karl Heß und des Darmstädter Kultur- und Technikphilosophen Julius Goldstein
November-Termin: Sonntag, 17. November 2024, 14.30 Uhr, Teilnahme kostenlos, Spende erbeten, Voranmeldung notwendig: martin.frenzel@liberale-synagoge-darmstadt.de, Treffpunkt: Karl Heß-Platz, vorm Eingang des Merck-Stadions am Böllenfalltor, von dort via Linie 9 zum Luisenplatz und dann weiter zur Gedenkstätte Liberale Synagoge, Klinikumsgelände
Zukunft braucht Erinnerung!
FLS-Rundgang: Jüdisches Darmstadt - Auf den Spuren der Liberalen Synagoge, Heinrich Blumenthals, Rabbi Bruno Italieners und des Philosophen Julius Goldstein
Termin: Sonntag, 24. November 2024, um 14.30 Uhr, Teilnahme kostenlos, Voranmeldung aber aus Planungsgründen unbedingt erforderlich! Trefffpunkt: Heinrich Blumenthal-Gedenktafel, Nordwestseite der Ev. Johanneskirche, Johannesplatz, Ecke Wilhelm Leuschner-Str. - Von dort via Deportationsort Justus-Liebig-Schule zur Gedenkstätte Lib Syn, Klinikumsgelände und zum Rabbi Julius Landsberger-Platz; Dauer: ca. 2 Std.
Bürgerehrung 2014 für den FLS-Gründer & Vorsitzenden Martin Frenzel: Für jahrelanges, herausragendes Wirken in Sachen ehrenamtlicher
Erinnerungsarbeit wurde Martin Frenzel am 30. April 2014 in der Orangerie mit der Ehrenurkunde für verdiente Bürger der Wissenschaftsstadt Darmstadt ausgezeichnet. Mehr unter
Pressespiegel/Wir über uns.
Der Förderverein Liberale Synagoge hat zudem am 20.Mai 2014 den 2. Preis GESICHT ZEIGEN für Zivilcourage und gegen Rassismus2014 erhalten. Die Verleihung fand im Justus-Liebig-Haus durch die Wissenschaftsstadt Darmstadt statt. Der Preis wurde in Anerkennung des
ehrenamtlich-erinnerungskulturellen Engagements für ein weltoffenes Darmstadt durch Oberbürgermeister Partsch vergeben.
Der FÖRDERVEREIN LIBERALE SYNAGOGE DARMSTADT e.V. hat "für sein besonderes
Engagement" in Sachen aktiver Erinnerungskultur den Ludwig-Metzger- Anerkennungs-preis 2013 erhalten.