Wer Sie, die gebürtige Römerin, geboren am 4. Dezember 1935 im Zeichen des freiheitsliebenden Schützen, kannte, wusste: Es gab sonst in Darmstadt über fast 25 Jahre hinweg keine derart fulminante Mischung aus Empathie, Kämpferinnenherz und Optimismus wie sie. Sie war im positiven Sinne des Wortes eine rastlose Madame Atemlos.
Von 1987 bis 2010 war sie 23 Jahre lang engagierte und stets auch kämpferische, andere mit ihrer Kommmunikationsgabe mitreißende Geschäftsführerin der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Eine weibliche Frau Hansdampf in allen Gassen. Und DAS Aushängeschild Ihrer Vereinigung, Gallionsfigur.
Keine Frage: Vom Temperament her war sie ganz Italienerin. Betulichkeit war ihre Sache nicht. Es konnte ihr nicht schnell genug gehen. Schlafmützigkeit mochte sie nicht, war sie doch selber hellwach. Das verlangte sich auch von andern. Das bedeutete auch: Wenn sie einen anrief, dann erwartete sie, dass man voll "da" war - Sätze wie "Habe jetzt keinen Zeit, können wir bitte später..." überhörte sie einfach. Geht nicht, das gab's bei ihr nicht. Es hatte sofort zu geschehen, jetzt und hier. Da kannte sie, die große Menschenfreundin, keine Gnade. Jung geblieben in der Art gab es keinen, der sich nicht von ihr begeistern ließ. Auch gehörte sie zu jenen Menschen, die das Herz auf der Zunge tragen: Sie nahm, lebenslustig und vital wie sie war, kein Blatt vor den Mund. Keine Frage: Gabriella Deppert, die ausgeprägte Femme de Lettre, Kultur-, Literatur- und Theater-Liebhaberin und leidenschaftliche Sprachkennerin, gehörte zum Verein für klare Aussprache.
Das war schon immer so: Schon als Kind kam sie, in einer Mischung Direktheit, Unbekümmertheit und keckem Mut, direkt zur Sache - auch wenn das, wie z.B. in der NS-Zeit, lebensgefährlich war. Sie selbst hat lachend die Anekdote erzählt, wie sie mit ihrem vom NS-Regime traktierten Vater, Leiter der Deutschen Schule in der Ewigen Stadt, gegen Kriegsende, aber eben noch zu Zeiten der braunen Diktatur im Zug von Rom zurück ins brennende München fuhr und - zum Entsetzen des Vaters - mitten im Zug (umgeben von allerlei SS-Chargen und Wehrmachtssoldaten) ausrief: "Und der Hitler ist an allem Schuld!" Nein, Gabriella Deppert war niemand, der Angst hatte vor Autoritäten - auch und gerade in der Gegenwart nicht. Wenn es sein musste, sagte sie denen unverblümt die Meinung. Unrecht und Ungerechtigkeiten - das brachte sie auf die Palme.
Von 2005 bis 2009 war sie, auf Vorschlag und nach einer Idee Martin Frenzels, Bannerträgerin (Jeanne d'Arc) der Benefizkampagne "Darmstadt braucht Erinnerungsort Liberale Synagoge Darmstadt", bei der ich sie in Sachen Presse- und Programmarbeit aktiv mit unterstützen durfte.
Martin Frenzel dazu: "Wir lernten uns 2005 kennen, bei einer DA FACTO-Reportage: Ich wollte ein Porträt über sie schreiben - Titel übrigens "Die Mutter Courage der Darmstädter Erinnerungsarbeit". Wir waren uns gleich sehr sympathisch, wurden gute Freunde. Ich schlug ihr damals 2005, vor, gemeinsam eine Benefizkampagne zu starten, "Darmstadt braucht einen Erinnerungsort Liberale Synagoge", weil das Projekt damals gelinde gesagt in den Seilen hing. Gabriella Deppert war sofort Feuer und Flamme - und fortan arbeitete wir mit Blick auf die Liberale Synagoge-Kampagne von 2005 bis zur Eröffnung 2009 eng zusammen. Ziel war es bürgerschaftlichen Druck von unten zu erzeugen, um die politisch Verantwortlichen dazu zu bringen, die Gedenkstätte Liberale Synagoge endlich zu vollenden. Nach sechs Jahren Hängepartie war das am 9. November 2009 endlich der Fall. In den vier Jahren der erfolgreichen Kampagne, bei der Gabriella Deppert enorme Spendensummen sammelte, habe ich sie aktiv mit Programmplanung und Pressearbeit unterstützt. Auch der Titel der Kampagne stammte aus meiner Feder."
Diese Kampagne trug maßgeblich dazu bei, dass die lange Zeit verschleppte Vollendung der Gedenkstätte Liberale Synagoge auf dem Klinikumsgelände am 9. November 2009 allen
Widrigkeiten zum Trotz zu einem guten Ende kam.
Der Förderverein Liberale Synagoge wurde dann Ende Januar 2011 von Martin Frenzel gegründet, um die Arbeit für das Projekt Gedenkstätte Liberale Synagoge aktiv und engagiert fortzusetzen.
2008 gehörte Gabriella Deppert zu den aktiven finanziellen Mitunterstützerinnen meines Buchs "Eine Zierde unserer
Stadt. Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Liberalen Synagoge Darmstadt".
Und sie setzte sich sehr ein für das Modell der Liberalen Synagoge des Mathildenhöhe-Designers Christian Häusssler, das heute in der Jüdische Gemeinde steht.
Schon an den Spendenaktionen zugunsten der von Rüdiger Breuer initiierten Neuen Synagoge von 1988 hatte sie maßgeblich mitgewirkt.
Gabriella Deppert hat bleibende Spuren der Darmstädter Erinnerungsarbeit hinterlassen, etwa durch die von ihr ermöglichte virtuelle Rekonstruktion der Orthodoxen Synagoge Bleichstr. in 3D, aber auch durchs Erinnern an Helga Keller, die Tochter des Orgel-Kantonisten der Liberalen Synagoge, die die Shoah überlebte und in Israel ein zweites Leben führte.
Sie war auch eine enge Weggefährtin des FÖRDERVEREINS LIBERALE SYNAGOGE: Im Gegensatz zu manch
anderen "konkurrierender" Erinnerungsarbeitsvereine, kam sie stets zu den Veranstaltungen des FLS, zollte Anerkennung quer über die Vereinsgrenzen und übte kritische Solidarität - immer mit Herz: Sei es bei der Einweihung des Julius-Landsberger-Platzes 2011, der Julius-Landsberger-Gedenktafeln 2013, der Otto Wolfskehl-Tafel im Wolfskehlschen Garten 2014, Heinrich Blumenthal-Tafel 2015 auf "ihrem" Johannesplatz. Und ganz sicher: Gabriella Deppert wäre auch, ohne eine Sekunde zu zögern, zur Einweihung des Karl Heß-Platzes im November 2016 vorm Jonathan Heimes-Stadion am Böllenfalltor gekommen.
Auf Vorschlag von Martin Frenzel erhielt Gabriella Deppert 2010 für ihre Verdienste um die Darmstädter Erinnerungskultur die Bronzene Verdienstplakette der Wissenschaftsstadt Darmstadt.
Ihr Tod ist ein großer Verlust: Für die Darmstädter Stadtgesellschaft, aber auch und gerade für die Darmstädter Erinnerungskultur. Sie hat Maßstäbe gesetzt, war ein leuchtendes Vorbild für Engagement und Zivilcourage.
Alexander Kluge, den Sie persönlich kannte, hat einmal, in seiner "Chronik der Gefühle" geschrieben: "Menschen haben zweierlei Eigentum: Ihre Lebenszeit und ihren Eigensinn."
Gabriella Deppert hat diesen ihren Eigensinn gelebt wie keine Andere. Bis zum Schluss.
Gabriella, Sie werden uns und der Darmstädter Erinnerungsarbeit bitter fehlen! Wir sind voller Trauer und Mitgefühl mit Angehörigen: Fritz Deppert und seiner Familie.
Am Freitag, 9. September 2016, abends ist Gabriella Deppert zu den Engeln gegangen. Ihre Seele jedoch lebt weiter - irgendwo auf einer Wolke im Himmelszelt, mal über Rom, mal über Marburg, vor allem über Darmstadt...
Der FÖRDERVEREIN LIBERALE SYNAGOGE hat tief bestürzt auf den Tod der langjährigen Darmstädter Erinnerungsarbeiterin Gabriella Deppert reagiert.
„Gabriella Deppert war über 25 Jahre lang die Mutter Courage und Jeanne d‘Arc der Darmstädter Erinnerungsarbeit“, so der Vorsitzende des Fördervereins Liberale Synagoge, Martin Frenzel, zum Tode Depperts, die am Freitag 09.September 2016
verstorben ist. Sie sei eine einmalige Mischung aus Zuversicht, Kämpferherz und Empathie gewesen, für sie war das Engagement für eine aktive Erinnerungskultur, fürs Jüdische Darmstadt und Geschichtsbewusstsein eine Herzensangelegenheit. „Gabriella Deppert machte Erinnerungsarbeit mit Herz, weil sie ein Herz für Menschen hatte“, so Frenzel weiter, deren Hilfsbereitschaft enorm gewesen sei. Bleibende Verdienste habe sich Deppert mit
der Benefizkampagne „Darmstadt braucht einen Erinnerungsort Liberale Synagoge“ in den Jahren 2005 bis 2009 erworben.
So habe sie Spenden etwa durch Benefizkonzerte (Orlowskys Klezmorim) im Staatstheater zugunsten des Erinnerungsorts Liberale Synagoge gesammelt, der trotz mancher Widrigkeiten am 9. November 2009 als offizielle Gedenkstätte der Stadt eingeweiht worden sei. Zu Recht habe Gabriella Deppert 2010 auf
Vorschlag von Martin Frenzel die Bronzene Verdienstplakette der
Wissenschaftsstadt Darmstadt für ihr Lebenswerk erhalten. Gabriella Deppert sei aber auch zeitlebens für eine kämpferische Erinnerungsarbeit eingetreten. „Wer Menschen für das Schicksal der Opfer des Holocausts bewegen will, muss auch mitreißen können.“ Diese Gabe habe Gabriella Deppert wie keine andere
besessen. „Ihr Tod erfüllt unser mit tiefer Trauer, aber ihr Vermächtnis wird bleiben“, so Frenzel abschließend.